Reerdigung

 
Mutterboden oder Mensch

„Reerdigung“ – Humankompostierung in Deutschland als Bestattungsart von morgen?

Inwiefern ist die Umwandlung eines verstorbenen Menschen zu fruchtbarer Erde zukunftsorientiert?


Lesen Sie hier die wichtigsten Informationen zusammengefasst.

(Stand: 29.02.2024)

 

Die Bestattungsform der Reerdigung, wie sie hier in Deutschland betitelt wird, ist bereits seit 2019 eine gängige, unter dem Namen „Terramation“ bekannte Art der Beisetzung in den USA. Aufgrund ihrer medialen Aufmerksamkeit gerät auch hier in Deutschland die Reerdigung immer mehr in den Fokus. Während in Schleswig-Holstein bereits eine Kompostierung des menschlichen Körpers zu fruchtbarer Erde möglich ist, wurde dieser Vorgang bereits in anderen Bundesländern abgelehnt.


- Aber was ist denn nun eigentlich eine „Reerdigung“?

Neben einer Feuer- und Erdbestattung soll es zukünftig möglich sein, so naturverbunden wie möglich beigesetzt zu werden und die Gesetze und den Kreislauf der Natur einzuhalten: nach dem Tod soll das Leben weiter bestehen, in Form von fruchtbarer Erde. Dafür soll eine Transformation des Körpers, eine Kompostierung des Körpers zu Humus geschehen. Nach Eintritt des Todes wird der Körper überführt und in ein Alvarium gebracht. Ein Alvarium bezeichnet den Ort, an dem die Kompostierung vollzogen wird. Der Verstorbene wird dort in einen Kunststoffbehälter, auch Kokon genannt, liegend auf Stroh, Heu und Blumen eingebettet. Dabei trägt er keine Kleidung, da diese anorganisch ist und somit den organischen Prozess stören würde. 40 Tage bleibt der Körper nun in diesem Reerdigungssarg liegen und wird unter gelegentlicher Luftzufuhr und Abluft über einen Filter in regelmäßigen Abständen hin- und hergewiegt. Durch die Mikroorganismen zersetzt sich der Körper dann selbstständig. Laut „Meine Erde“, den Erfindern dieser Bestattungsform in Deutschland, bleiben am Ende neben der gewordenen Erde nur vereinzelte Knochenteile bestehen, diese werden dann zerkleinert und dann wieder der Erde hinzugegeben. Danach erfolgt dann die Überführung der Erde zum Friedhof und die Beisetzung in einem Grab. Dies ist hier bei uns immer der Fall, da wir hier in Deutschland einen Friedhofszwang haben – die Vorstellung aus der gewonnenen Erde einen schönen Baum in seinen Garten zu pflanzen ist demnach nicht realisierbar.



Und gibt es vor Eintreten dieser Neuheit bereits Kritik?

Dieser Prozess wurde in einem Pilotprojekt (Testung einer Dienstleistung/ eines Produkts im kleinen Rahmen auf Funktion und Realisation im großen Rahmen) durchgeführt, bisher jedoch nur an 16 Verstorbenen. Genau das gibt vielen Kritikern Gründe, um diese Bestattungsform zu bedenken:
Aus ethischer Sicht scheint dieses Projekt kaum durch Expertise erfasst worden zu sein. Es kann zwar gefordert werden, dass mehr Transparenz und Aufklärung geleistet wird, jedoch steht hier nicht einfach nur ein Produkt im Vordergrund, sondern ein Mensch, dessen Würde es zu wahren gilt – und wie soll das gegeben sein, wenn der Mensch unbekleidet in einem Kunststoffbehälter hin- und her bewegt wird und somit über 40 Tage keine Ruhe finden kann? Diese Transformation stelle eher einer Verletzung des Pietätsempfindens dar.
Auch aus rechtlicher Sicht scheint es einige Bedenken zu geben, denn steht die Reerdigung nicht einem der wohl relevantesten Gesetze im Strafgesetzbuch, §168 Störung der Totenruhe, komplett entgegen?
Der wohl größte zu bedenkende Faktor ist die gesundheitliche Sicht auf diesen ganzen Prozess. Obwohl bereits 16 dieser Bestattungen stattgefunden haben, bekamen Forscher lediglich die Möglichkeit, Untersuchungen an zwei dieser Reerdigungen durchzuführen – und das auch nur an gestellten Proben. Das wirft aus wissenschaftlicher Sicht einige Fragen und Bedenken auf. Es wird zwar anerkannt, dass diverse forensische Aspekte untersucht, toxikologische Nachweise erbracht und osteologische Befunde und DNA untersucht wurden, jedoch keineswegs mikrobiologische Untersuchungen in Bezug auf die hygienischen Aspekte, wie beispielsweise pathogene Keime vorgelegt wurden, so der renommierte Rechtsmediziner Prof. Dr. med. Klaus Püschel. Es wurde lediglich erwähnt, dass bei der während der Kompostierung zustande kommenden Temperatur keine Gefahr von Krankheitserregern ausgehen würde. Wissenschaftler kritisierten außerdem den als „natürlich“ betitelten Prozess, da dieser durch diverse mechanische Manipulationen, wie die Zerkleinerung der Knochen, unnatürlich erscheint.



Dennoch: Ökonomische Chance der Reerdigung in Zukunft

Auch positiv sollte man auf diese Chance in der deutschen Bestattungskultur blicken: Sollte es in Zukunft möglich sein, alle wichtigen Fragen zu klären und Transparenz zu schaffen, so sollte man auch die Vorteile der Reerdigung sehen. Durch den Prozess kann der Verwesungprozess kontrolliert stattfinden, was wahrscheinlich auf Friedhöfen ein gewonnener Vorteil wäre. Der wohl schwerwiegendste Aspekt ist unsere Umwelt, die wir in unserem Alltag nicht vergessen sollten. Denn auch wenn dieser Artikel hier das Thema Tod und Sterben thematisiert, ist es doch am wichtigsten, das Leben zu schätzen, das Leben auf dieser Erde. Bei einer Reerdigung ist es im Gegensatz zu einer Feuerbestattung, die erfahrungsgemäß ca 70% (mit Tendenz steigend) gewählt wird, möglich jährlich bis zu 800.000 Tonnen CO2 einzusparen. Außerdem sollte doch immer der Wunsch des Individuums an erster Stelle stehen – und wenn es gesundheitlich, rechtlich und ethisch unbedenklich gesprochen wird, wäre diese Bestattungsform doch eine Revolutionierung der deutschen Bestattungskultur.



Aus Sicht eines Bestatters

Neben den Vor- und Nachteilen und aus der Sicht einer Person, die täglich mit dem Thema Tod und Trauer in Kontakt steht, lässt sich folgendes sagen: Für uns steht, wie auch oben genannt und durch Wissenschaftler gefordert, eine Transparenz an erster Stelle. Wir möchten unsere Kunden bestmöglich beraten, damit diese eine qualifizierte Entscheidung treffen können. Eine Bestattung ist einmalig und individuell und nicht reversibel. Bei Bestattungen Schultewolter steht Der Mensch immer im Vordergrund, sowohl der Verstorbene als auch der Hinterbliebene. Uns ist es wichtig, dass wir Aufklärungsarbeit leisten können und individuelle Wünsche erfüllen dürfen. Auch aus preislicher Sicht möchten wir transparent arbeiten. Obwohl zu den Kosten einer Reerdigung noch nicht viel zu finden ist, scheint sie, trotz einsparendem Sarg, teurer als eine Erd- oder Feuerbestattung zu sein, das ist bisher jedoch aufgrund der geringen Zahl an Reerdigungen noch schwer festzulegen. Ob und wann Bestattungen Schultewolter diese Bestattungsform in Gronau, Epe und Umgebung anbieten kann, bleibt abzuwarten.
Trauer ist Arbeit und diese möchten wir unterstützen und einen würdevollen, schönen und individuellen Abschied gestalten – egal wie dieser aussieht, ob Erdbestattung, Feuerbestattung oder in Zukunft eine Reerdigung.

 

Jamie Suchanke, Bestattungsfachkraft

 
 
 
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